GESTALT-Therapie
GESTALT ist nicht zu verwechseln mit Gestaltung, wie z. B. Malen oder Ton kneten, um nonverbal seine Gefühle zum Ausdruck zu bringen, obwohl auch dies hilfreich sein kann.
Die GESTALT-Therapie ist ein ganzheitlicher Ansatz, tiefenpsychologisch fundiert. GESTALT meint den Menschen mit Leib, Seele und Geist und allem, was zu ihm gehört, also sein Zuhause, seine Ernährung, sein Arbeits- und Freizeitverhalten, seine Beziehungen, seine Stärken und Schwächen, seine Kränkungen und Verletzungen, einfach alles. Es gibt Einzel- und Gruppen-GESTALT-Therapie.
Die wichtigsten Begriffe in der GESTALT sind „Kontakt“ und das “Hier und Jetzt“. Es geht nicht vorrangig darum, in der Vergangenheit zu wühlen, sondern was gerade Hier und Jetzt passiert, wie es dir gerade Hier und Jetzt geht, was deine Gedanken und Gefühle sind. Wenn es dann nötig ist, wird auch Vergangenes in den Vordergrund geholt, um zu verstehen und nachzufühlen. Der Begründer der GESTALT, Fritz Perls, war Mitarbeiter und Kollege Sigmund Freuds.
Die GESTALT geht davon aus, dass außer medizinisch diagnostizierten, psychiatrischen Erkrankungen, alle Störungen im seelischen Gleichgewicht mit ihren Auswirkungen auf den Körper, das ganze persönliche Leben und die Umwelt, Kontaktstörungen sind. Meistens ist der Kontakt zu sich selbst gestört. Ich fühle mich selbst nicht mehr, bin mir selbst fremd. Deswegen ist auch mein Kontakt zu meinen Mitmenschen gestört, und, wenn ich Christ bin, auch zu Gott. Dieser Zustand ist eigentlich die Umkehrung des Wortes: Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen... und deinen Nächsten wie dich selbst. Wenn ich also mich nicht ausstehen, nicht annehmen, nicht lieben kann, wie sind dann meine Beziehungen zu meinen Nächsten, wie bin ich dann im Kontakt zu meinen Mitmenschen, meiner Umwelt? Das Befinden eines solchen Menschen ist vergleichbar mit einer Wüste. Alle meine Spiele sind zu Ende gespielt. Ich bin fertig. Ich bin in einem Zustand des Engpasses, wo ich nicht mehr weiter weiß, wo nichts mehr geht.
Die GESTALT arbeitet mit dem Menschen an seinen Defiziten im Hier und Jetzt. Es geht um die Heilung und Stärkung seines verletzten Ich, des kleinen Kindes in ihm, mit seinem gebrochenen Selbstwert. Es geht um Aussöhnung mit sich selbst, um Klarheit in seinen Beziehungen und um Versöhnung mit seinen Verletzern und Widersachern. Es geht um die Integration seiner Leiden und sich so anzunehmen, wie er ist. Das Ziel ist, ein freieres Leben wieder zu gewinnen.
In diesem Prozess wird der Klient vorurteilslos angenommen, wie er ist und klar, aber liebevoll begleitet, damit er seine Ressourcen wieder entdecken, beleben und aktivieren kann.
Eine Reihe von Störungen, die behandelbar sind: Ängste, Phobien, Zwänge; Depressionen, Erschöpfungszustände, Lebens- und Glaubenskrisen, Mobbing, posttraumatische Belastungsstörungen, psychosomatische Beschwerden, Selbstwertproblematiken, (z. B. Eifersucht) und Trauer. Es wird auch Krisenintervention, also Notfallversorgung, angeboten. Die Schweigepflicht ist gewährleistet.
Einige Ziele der GESTALT-Therapie Ich kann nur mich, nicht dich verändern.
- Ich will alles begreifen, aber nicht greifen oder gegriffen werden.
- Ich wachse, werde spontaner, lebendiger, glücklicher. Ich schätze mich mehr wert.
- Ich erledige Halbvollendetes. Ich stelle mich auf meine eigenen Füße.
- Ich riskiere neue Schritte. Ich versuche nicht der zu sein, der ich nicht bin.
- Ich will nicht an meinen phantastischen Idealen ersticken, die unerreichbar sind.
- Ich geh nicht mehr auf Zehenspitzen und beiße die Zähne zusammen, das tut weh.
- Nur das Hier und Jetzt ist das reale und wahre Leben
- Ich werde erwachsen, ich übernehme Verantwortung für mich und das Leben.
- Ich achte darauf, wie ich etwas denke, erfahre, höre, rede, anstatt was, warum etc.
- Ich will mich selbst nicht hemmen, denn dann bin ich mein eigener Feind.
- Ich will alle Sinne und mein ganzes Wahrnehmungsvermögen einsetzen, damit ich die Menschen und Dinge um mich herum wirklich erfahre.
- Lebendige Begegnung ist ein Zusammenspiel von Kontakt aufnehmen und sich zurückziehen. Einander oder etwas festhalten wollen, ist ein klebriger Zustand. Einander nicht berühren, ist eine frostige Angelegenheit und wie Eis.
- Ich möchte Probleme nicht nur theoretisch lösen, sondern auch praktisch handeln.
- Ich will den Strom meines Seins erkennen, bewusst erfahren, gewahr werden, damit ich erfahre, was ich wirklich will und, damit ich nicht versteinere.
- Ich habe Respekt vor mir, meinem Denken und Handeln, damit festige ich meinen Wert und meine Würde. „Hier und Jetzt“, der erste Augenblick meines Lebens.
- Ich will keinen eingedrillten Perfektionismus mehr; lockerer und freier werden.
- Ich vertraue meinen Möglichkeiten und lasse mir meine Energie nicht rauben.
- Meine Energie ist da, wo mein Interesse ist, wo ich angerührt bin, wo meine Emotionen sind. Alles darf Platz haben: Gedanken, Sprache, Körper, Atem, Spaß haben, spielen, Schmerz fühlen, Neid und Eifersucht empfinden, einfach alles leben.
- Ich sehe in deine Augen, um dich zu sehen, anstatt meine Phantasie über dich.
- Ich will meine Wunden nicht pflegen, sie aber auch nicht immer wieder aufreißen.
- Ich will mich dem Lebensrhythmus anvertrauen wie einatmen und ausatmen.
- Ich will nicht mehr an einem Stand-Punkt hängen bleiben, aber auch nicht ständig schwanken zwischen Extremen; beides ist neurotisch und führt zu nichts.
- Ich will nichts mehr einfach schlucken; das macht mich krank. Ich wehre mich!
- Ich will keine Projektionen, Eigenschaften, die ich mir nicht zugestehe, anderen zuschreiben. Dann wirke ich wehleidig: „Ich bin immer das Opfer der Umstände.“ Das macht mich aggressiv, so dass ich immer die Anderen verändern möchte. Ich bekämpfe damit im Anderen, was ich an mir selbst nicht mag. Ich will ihn umformen nach dem, was für mich unerreichbar blieb und mit dem ich mich quäle.
- Ein weißer Maikäfer („Müller“) sah einen braunen und dachte: „Welch schöne, satte Farbe“. Dann sah er auf sich, schämte sich und war traurig. Ein brauner Maikäfer sah einen weißen und dachte: „So ein schönes, reines Weiß“. Dann sah er auf sich, schämte sich und war traurig. Mutlos und niedergeschlagen krochen sie in die Erde zurück, woher sie gekommen waren. Sie flogen nicht ein einziges Mal. Schade, so verfehlten sie ihr wahres Leben.
- Ich neide und beiße nicht mehr; ich will lieber umarmen, statt einsam zu sein.
- Ich will das Leben lieben lernen und die Liebe leben lernen, immer und überall.
Sinngemäß aus: „Gras unter meinen Füßen“ von Bruno-Paul de Roeck, ISBN: 3-7664-2037-2
Zusammengestellt von A. W. Willems
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